SWR2 Tandem - Manuskriptdienst Adiós mi Comandante

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SWR2 Tandem - Manuskriptdienst
Adiós mi Comandante
Venezolaner wandern aus
AutorIn:
Simone Schlosser
Redaktion:
Karin Hutzler
Regie:
Nicole Paulsen
Sendung:
Montag, 28.12.15 um 10.05 Uhr in SWR2
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Atmo 1 Straßenverkehr Caracas (Schlange Supermarkt)
Atmo 2 Café Caracas
O-Ton 1 Yaurits im Café
Desde el punto de vista que lo vea todo es difícil. Primero la inseguridad. Ni en su casa
se está seguro. Tenemos que pasar llave y llave y reja y puerta y tenemos que hacer
mucha cosa pues. Y siempre pendiente si se escucha un ruido por si a caso. Ya no
podemos salir. Y no podemos viajar. Ni siquiera dentro del país. A veces nos cuesta ir
para la playa. Yo fui a comprar jabón de baño. Y me dijeron tres son suficiente para ti.
¿Y porque ella sabe que tres son suficientes? Es ya como una humillación. Uno se
sienta humillado, abusado, utilizado.
Übersetzerin:
Alles ist schwierig geworden. Nicht einmal in unserer Wohnung fühle ich mich noch
sicher. Wir haben mehrere Sicherheitsschlösser, und trotzdem schrecke ich bei jedem
Geräusch auf. Wir gehen kaum noch raus. Selbst ein Ausflug an den Strand macht mir
Angst. Dazu kommt die Lebensmittelknappheit. Viele Waren sind rationiert. Neulich
wollte ich Seife kaufen, und da meinte die Verkäuferin, drei Packungen seien genug.
Das war mir sehr unangenehm. Ich habe mich richtig erniedrigt gefühlt.
O-Ton 2 Napoleón
Pero aquí uno lucha y simplemente lo que va a hacer va a seguir manteniendose solo
para comer. Y también una cosa que es muy importante es la falta de libertad.
Entonces decimos ¿qué le podemos prometer a Sebastián del futuro? ¿Qué el país
cambie? ¿En cuánto tiempo? Cuando la economía se llega en este punto ya para
llevarla se necesita muchísimo.
Übersetzer:
Im Moment geht unser ganzes Gehalt für Lebensmittel drauf. Aber manchmal reicht es
nicht mal dafür. Ein großes Problem ist außerdem die fehlende Meinungsfreiheit.
Öffentlich sagen zu können, was man denkt oder was man möchte. Die Zahl der
unabhängigen Medien in Venezuela wird immer kleiner. Sorgen mache ich mir
besonders um unseren Sohn. Für ihn sehe ich keine Zukunft hier. Es wird Jahre dauern,
bis sich das Land von dieser Krise erholt hat.
Erzählerin: (auf Atmo Café)
Ein belebtes Café im gut situierten Osten von Caracas. Wenige Wochen vor
Weihnachten herrscht hier Hochbetrieb. Die Kunden kommen von überall her, um eines
der beliebten Pan de Jamón zu bestellen. Ein traditionelles Brot mit Schinken und
Oliven, das in Venezuela vor allem über die Feiertage gegessen wird. Napoleon und
Yaurits waren in diesem Café Stammkunden. Zusammen mit ihrem Sohn leben die
beiden in einer kleinen Wohnung in der Nähe. Doch seit einigen Monaten kommen sie
immer seltener. Sie versuchen Geld zurückzulegen, weil sie Venezuela bald verlassen
wollen.
O-Ton 3 Napoleón,
Cada vez hay menos posibilidades. En estos quince años hemos despedido muchos
amigos. Pero nosotros siempre decimos vamos a esperar que va a cambiar. Hasta que
ya hace un poco más que un año. Ya no queremos más. Ya es suficiente. ¿Cuánto más
podemos esperar? Se va a pasar el tiempo de nuestra joventud, de la infancia de
nuestro hijo y nosotros esperando.
Übersetzer:
Wir sehen hier keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr. In den letzten 15 Jahren haben
viele Freunde das Land verlassen. Wir sind geblieben, weil wir gehofft haben, dass sich
die Situation ändern würde. Aber seit einem Jahr haben wir genug. Worauf können wir
noch hoffen? Unser Leben zieht an uns vorbei, während wir hier sitzen und warten.
Erzählerin:
Napoleón und Yaurits möchten nichts überstürzen. Bisher ist nur das Ziel klar:
Deutschland. Im Moment machen die beiden einen Sprachkurskurs. Außerdem sucht
Napoleón über das Internet nach einer Stelle. In Caracas arbeitet er in der deutschen
Gemeinde als Organist.
O-Ton 4 Napoleón,
Pasamos todos los días como una montaña rusa de emoción. Porque a veces me
animo. A veces me siento triste. Entonces no es una decisión que tomo así fácil porque
allá va a ser todo fácil. No sé. Siento más miedo de continuar aquí que miedo de
empezar la vida en otra parte.
Übersetzer:
Im Moment ist jeder Tag eine emotionale Achterbahnfahrt. Manchmal bin ich total
motiviert, manchmal einfach nur traurig. Wir haben die Entscheidung auszuwandern
nicht leichtfertig getroffen. Wir glauben nicht, dass in Deutschland alles einfacher ist.
Aber was ist die Alternative? Ich habe mehr Angst davor, hier weiter zu machen, als
woanders noch einmal ganz von vorne anzufangen.
O-Ton 5 Yaurits,
Siempre le pido a diós que no sé que est a gente se vaya. Mi deseo es esto: Que esto
mejore. Que esto cambie. Que esto sea rápido que uno no tiene que ir con tanta
sacrificio. Pero como no es la verdad la realidad es otra.
Übersetzerin:
Jeden Tag bete ich dafür, dass etwas geschieht. Ich wünsche mir, dass sich die
Situation im Land bessert, damit wir nicht gehen und alles aufgeben müssen. Aber die
Realität sieht eben anders aus.
O-Ton 6 Napoleón
Yo pongo el ejemplo que es como cuando el barco se está hundiendo y tú tienes el
cofre con el tesoro con la joya. Entonces ¿cuáles son las joyas de cada quien? No sé.
Para mí la joya es mi vida y la vida de mi hijo y mi esposa. Tener un futuro. Para mí ese
es la joya.
Übersetzer:
Venezuela ist ein sinkendes Schiff. Noch hat jeder die Möglichkeit, sich in Sicherheit zu
bringen. Jeder muss selbst entscheiden, was ihm wichtig ist. Für mich steht meine
Familie im Mittelpunkt. Wir wollen eine Zukunft, deshalb werden wir dieses Schiff
verlassen, bevor es dafür zu spät ist.
Atmo 3 Fußgängerzone Caracas
Erzählerin:
Die Einkaufsstraße Sabana Grande im Westen von Caracas. Tagsüber gibt es hier eine
bunte Mischung aus Straßenhändlern und Schaufensterbummlern. Doch sobald es
dunkel wird, ist die Fußgängerzone wie ausgestorben. Carlo ist unterwegs, um noch ein
paar Besorgungen zu erledigen.
O-Ton 7 Carlo,
Y tú sabes cuando es una buena razón para irte cuando ya no tienes buenas razones
para quedarte. Y yo tengo muy pocas razones. Más allá de mis amigos y de mis pocos
familiares que tengo acá. Son muy pocas en el sentido que es mío personal.
Übersetzer:
Woher man weiß, dass es ein guter Zeitpunkt ist, zu gehen? Wenn man keine Gründe
mehr hat zu bleiben. Abgesehen von meiner Familie und meinen Freunden hält mich
nichts mehr in Venezuela.
Erzählerin:
Carlo ist Anfang zwanzig. In wenigen Tagen fliegt er nach Deutschland.
O-Ton 8 Carlo
Me asusta un poco pero siempre hay que avanzarse al desconocido pues. Ha sido un
débate mental por ocho meses que estoy haciendo los correos. Al final lo que pienso es
que es un cambio. Los cambios siempre son buenos pues. Que tú me digas: No porque
tú tienes esto acá. Y tú tienes un trabajo seguro. Eso es mentira. Puedo tener un trabajo
seguro pero no un salario que me deja vivir tranquilamente. Por un alquiler no te bastan
diez mil de Bolívares. Pero yo no gano diez mil por ejemplo. La gran mayoría de mis
amigos no ganan diez mil Bolívares al mes. Muchos no te ganan diez mil en tres cuatro
meses. Que yo he visto de mucha gente que se ha ido a Alemania, que yo conozco se
la escuela, que consiguió trabajo que vive tranquilamente, que no tiene que depender
de nadie. Y eso es lo que me aluenta también a agarrar Alemania.
Übersetzer:
Im Moment habe ich Angst. Aber das gehört dazu. Seit acht Monaten spiele ich mit dem
Gedanken auszuwandern. Jetzt habe ich endlich alle Papiere. Es ist eine Veränderung.
Veränderungen sind immer gut. Viele sagen, man solle bleiben, wenn man hier eine
sichere Arbeit hat, aber das ist Quatsch. Denn von dem, was man hier verdient, kann
man kaum leben. Für eine Wohnung zahlt man schnell 10.000 Bolívares. Das bekomme
ich nicht einmal in drei Monaten. Einige Bekannte sind nach Deutschland gegangen und
haben sich dort ein neues Leben aufgebaut. Die haben eine Arbeit. Die studieren. Das
ist für mich ein großer Anreiz.
Erzählerin:
Im Vergleich zu den meisten seiner Freunde hat Carlo Glück: Durch seinen Großvater
besitzt er die italienische Staatsbürgerschaft. Damit darf er sich in Deutschland
uneingeschränkt aufhalten und arbeiten. Außerdem leben Familienmitglieder in Italien,
die ihn finanziell unterstützen können.
O-Ton 9 Carlo
Tengo amigos que se fueron con nada de dinero. Tengo uno que se fue con una maleta
así. Una muda de ropa. Su guitarra. Y con eso se fue a Panamá. Y allí ganandose su
dinero. Comprar sus cosas. Uno en uno de los puertos puso su curriculum. Bueno tengo
este barco pesquero que va hacer todo es recorrido. No le pagaban. Pero le daban
comida. Trabajaba. Y se fue a España así. Que uno está medio loco viniendose acá sin
saber el idioma. Este estaba más loco aún. Todo el mundo busca su manera.
Übersetzer:
Ich habe Freunde, die ganz ohne Geld gegangen sind. Ein Rucksack. Eine Gitarre. Das
war alles, was sie mitgenommen haben. Ein Freund hat sogar auf einem Schiff nach
Spanien angeheuert. Das war der günstigste Weg, nach Europa zu gelangen. Bezahlt
wurde er nicht, aber er konnte umsonst mitfahren und bekam Verpflegung. Das ist viel
verrückter als das, was ich mache. Ich fahre nur in ein Land, dessen Sprache ich nicht
kann.
Atmo 4 Uni Caracas /Atmo 4 Botschaft Caracas,
O-Ton 10 Katherine,
Ich mag es, wie die Sachen in Deutschland gemacht werden. Also ich mag Pünktlichkeit
und Ordnung. In diesem Fall würde ich mich als Deutsche betrachten. Ich sehe auch
gute berufliche Chancen. Das Leben ist nicht so anstrengend wie in Venezuela.
Erzählerin:
Schon seit einigen Jahren spielt Katherine mit dem Gedanken Venezuela zu verlassen.
Die 28-Jährige hat als Bibliothekarin am Goethe-Institut in Caracas gearbeitet. Aber eine
eigene Wohnung konnte sie mit ihrem Gehalt nicht bezahlen. Sie wohnte bei ihren
Eltern in einem Vorort. Jeden Tag war sie mehrere Stunden im Auto unterwegs. Die
Wochenenden hat sie meistens zuhause verbracht.
Atmo 3 Fußgängerzone Caracas (Atmo Carlo)
O-Ton 11 Katherine,
Also man sollte aus Sicherheitsgründen vor sieben Uhr abends zuhause sein. Weil
wenn es schon dunkel ist, hat man große Risiko. Zum Beispiel wenn man in eine Disco
geht, dann lieber bis um sechs Uhr morgens da zu bleiben, und dann ist es wieder hell,
und dann kann man wieder nach Hause gehen. Obwohl es keine Garantie gibt, dass
man sicher ankommen wird. Aber solange es dunkel wird, dann ist es irgendwie
gefährlich. Das ist die allgemeine Regel. Ich hatte ein Auto. Und mit dem Auto konnte
man sagen, dass man ein bisschen spät draußen sein kann. Aber es war auch nicht
leicht. Mein Papa hat ständig angerufen: Wo bist du? Wann kommst du?
Erzählerin:
Katherine hat ein Arbeitsvisum für Deutschland. Damit hat sie sechs Monate lang Zeit,
eine Stelle zu finden. Falls das nicht klappt, möchte sie zu ihrem Bruder nach Spanien.
In Venezuela sieht sie für sich keine Zukunft.
Atmo 5 Seminar (Pause),
O-Ton 12 Oscar Hernández Bernalette,
Normalmente la gente que se va de otros países se van sobre todo los sectores pobres.
Pero en el caso particular de Venezuela la mayoría de la gente se va porque tiene
miedo de no tener seguridad personal y seguridad jurídica.
Übersetzer:
Normalerweise ist Migration eine Sache der unteren Schichten. Die Menschen verlassen
ihre Heimat, weil sie auf der Suche nach Arbeit sind. Im Fall von Venezuela ist das
anders: Hier gehen die Menschen, weil sie sich nicht mehr sicher fühlen.
Erzählerin:
Oscar Hernández Bernalette hat als Botschafter Venezuelas in verschiedenen Ländern
gelebt. Dann wurde er vom ehemaligen Präsidenten Hugo Chávez wie viele andere
Diplomaten in den Zwangsruhestand versetzt. Jetzt arbeitet er als Migrationsberater:
Zusammen mit einem befreundeten Anwalt gibt er Seminare für Venezolaner, die
auswandern möchten.
O-Ton 13 Atmo Seminar Begrüßung Oscar Hernández Bernalette,
Las primeras observaciones de tipo administrativo: Les comento por cierto que estos
encuentros nuestros son totalmente... Hemos pedido sus nombres por razones
simplemente administrativas. Pero esto es un tema totalmente individual. Esto no está
sujeto a las empresas. Hay gente que a veces prefiere mantener en reserva su opción
migratoria por razones del trabajo. Otros personas ni siquiera han consultado con su
familia. Entonces bueno es un tema muy personal.
Übersetzer:
Zuerst ein paar organisatorische Anmerkungen: Wir wissen, dass Auswanderung ein
sehr persönliches Thema ist, und viele haben noch nicht einmal mit ihrer Familie
darüber gesprochen. Deshalb werden wir alles, was hier gesagt wird, absolut vertraulich
behandeln.
Atmo 6 Seminar
Erzählerin:
Das Seminar findet im Gebäude der Tageszeitung El Nacional statt. Sie gehört zu den
letzten regierungskritischen Medien in Venezuela. Der Andrang ist groß: Mehr als
hundert Leute sind gekommen. Manche haben gerade erst ihr Abitur gemacht. Andere
sind schon in Rente. Die Teilnehmer berichten sehr offen von ihren Plänen. Trotz der
Krise, in der sich Venezuela befindet, fällt den meisten die Entscheidung schwer.
Atmo 7 Seminar Fragerunde,
O-Ton 14 Atmo Seminar Teilnehmerin,
Yo por mi trabajo y por muchas razones vivo en reuniones. Y los últimos años las
reuniones todas son depresivas. Y todo el mundo de una forma o otra lo único que
conversa es de lo que ha perdido. De la libertad que ha perdido. De la familia que se ha
ido. De los amigos que le han abandonado. Entonces yo no considero que estamos en
un momento de felicidad. Es muy duro separarse. Pero uno tiene que ver cual es la
motivación para salir de un país. Es realmente la motivación más importante la
felicidad? Yo no creo que seamos más felices afuera. Pero tampoco somos adentro.
Übersetzerin:
In den vergangenen Jahren ist die Stimmung bei mir auf der Arbeit immer schlechter
geworden. Jeder spricht nur noch darüber, was er verloren hat. Oder über die
Verwandten und Freunde, die gegangen sind. Es ist nicht leicht wegzugehen. Jeder
muss diese Entscheidung für sich selbst treffen. Aber geht es wirklich darum, glücklich
zu werden? Ich glaube nicht, dass wir im Ausland glücklicher sind. Aber hier sind wir es
auch nicht.
O-Ton 15 Atmo Seminar Teilnehmerin,
Yo me fui a España para hacer una maestría de un año y duré siete. Si a mi me
preguntan si fue feliz digo que no. Porque estar lejos de la familia es, algo que todos
tenemos que considera, es terrible. Y no hablo de tu núcleo familiar Papa, Mama,
hermanos. Hablo de primos, de tíos, de sobrinos. Eso es importantísimo. Y yo ahora
que quiero volver me ir es lo primero que evalúo.
Übersetzerin:
Ich ging für ein Auslandssemester nach Spanien. Aus einem Jahr wurden sieben. Wenn
mich jemand fragt, ob ich dort glücklich war, sage ich: nein. Es ist schrecklich, so weit
weg von der Familie zu sein. Damit meine ich nicht nur meine Eltern und meine
Geschwister, sondern auch alle meine Verwandten. Jetzt, wo ich wieder weg will, denke
ich ständig daran.
Atmo 5 Seminar (Atmo Seminar Pause)
O-Ton 16 Oscar,
Es como estar en la ola de la moda pues. Todo el mundo hay que irse del país. Se van
bravos con rábia del país porque no se querían ir sino que fueron empujados a irse. Y
después cuando llegan al nuevo destino entonces tambíen están bravos porque no
querían estar afuera de su país. Ahora si tú te vienes preparada porque sí conocí el
país. Entonces tú puedes tener una vida que sea consola con tus aspiraciones.
Übersetzer:
Auswandern ist im Moment eine Art Modeerscheinung. Aber viele verlassen das Land
mit Wut im Bauch, weil sie das Gefühl haben, dass sie nicht freiwillig gehen, sondern
dass sie dazu gezwungen werden. Dadurch fällt es ihnen schwer, sich in einem neuen
Land einzugewöhnen. Nur wer diesen Schritt gut vorbereitet und sich vorher Gedanken
darüber macht, was ihn in dem anderen Land erwartet, kann seine Ziele erreichen.
Atmo 8 Park
Erzählerin:
Ein halbes Jahr später, im Sommer 2015 in Deutschland. Carlo hat sich in Köln
eingelebt: Er hat eine eigene Wohnung und einen festen Job in einem Hostel. Auch sein
Deutsch wird immer besser:
O-Ton 17 Carlo,
Tengo solo seis meses y siento que tengo como dos años. Porque ha sido muchas
experiencias. La primera vez que me quedo solo en un lugar. Sin familia ni nada así.
Entonces con el tiempo el cuarto mes ya me sentía mejor. Y sobre todo el hecho de no
haber conseguido trabajo en estos primeros tres meses me tenía deprimido. Una vez
que empecé a trabajar a ocupar mi tiempo me sentí más productivo. Cuando uno siente
que hace progreso te sientas mejor.
Übersetzer:
Ich bin erst seit sechs Monaten hier, aber es fühlt sich an wie zwei Jahre. Zum ersten
Mal, bin ich irgendwo alleine. Ohne Familie. Ohne Freunde. In den ersten Monaten ist
mir das schwer gefallen. Aber mittlerweile geht es mir gut hier. Vor allem seit ich einen
Job habe. Dadurch habe ich das Gefühl, voran zu kommen. Das gibt mir die Kraft
weiterzumachen.
Atmo 9 Katherine Wohnung
O-Ton 18 Katherine,
Ich denke, wenn man im Ausland ist, hat man natürlich ein bisschen Heimweh. Aber ich
denke, es geht um was anderes. Es geht um die eigene Identität zu entdecken. Man
stellt sich ständig Fragen: Was werde ich mit meinem Leben weiter machen? Wie sehe
ich mich als Person? Welche Wünsche werde ich in der Zukunft haben?
Erzählerin:
Auch Katherine hat in Deutschland Fuß gefasst. An der Pädagogischen Hochschule in
Freiburg hat sie eine Stelle als Bibliothekarin gefunden. Ihr Vertrag läuft über drei Jahre.
Dann wird neu über ihr Visum entschieden.
O-Ton 19 Katherine,
Die Freiheit, die man fühlt. Ich kann zum Beispiel von zuhause Richtung Innenstadt
laufen, und dann ein paar Bier trinken, und um zwei oder drei Uhr nach Hause wieder zu
Fuß gehen. Das ist unglaublich. So eine Freiheit hat man nicht in Venezuela. Weil es
sehr gefährlich ist.
Selbstständig zu sein. Meine eigenen Sachen bezahlen. Dafür zu arbeiten. Das habe
ich nicht in Venezuela richtig geschafft. Jetzt schon.
Atmo 8 Park
O-Ton 20 Carlo,
Diferencias hay muchas. Sobre todo en el abastecimiento. No tienes ningún problema.
Consigues todo lo que necesitas en cualquier supermercado. Tienes lo sellama la
opción de compro.Puedes estar en medio de la noche en cualquier lugar y no tienes
que tener ese miedo que te van a robar. Por eso vine para acá. Para tener las
posibilidades. Utilizarlas. Desarrollarme aquí. Y aprender también. Me encanta eso de
que estoy en esta ciudad y puedo pensar en ir a Düsseldorf durante todo el día y luego
regresarme sin problemas pues. Eso en Venezuela sería bastante difícil. Tengo todas
las opciones que quiera. Si quieres hacer algo lo puedes hacer. Sea un Ausbildung.
Sea ir a la universidad. Sea solamente trabajar. Lo que tú quieras hacer lo puedes
hacer.
Übersetzer:
Es gibt viele Unterschiede zwischen Deutschland und Venezuela. Am Anfang ist mir vor
allem das Lebensmittelangebot aufgefallen. Die Auswahl in den Supermärkten ist
beeindruckend. In Venezuela gibt es viele Produkte nicht mehr. Außerdem fühle ich
mich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder sicher. Hier kann ich mitten in der Nacht
nach Hause gehen, ohne Angst haben zu müssen, überfallen zu werden. Oder ich kann
einfach mit dem Zug in eine andere Stadt fahren. In Venezuela sind solche Ausflüge
kompliziert und teuer. Ich habe das Gefühl, dass mir die Zukunft offen steht, dass ich
selber entscheiden kann, was ich mit meinem Leben mache. Vielleicht studiere ich noch
einmal. Oder ich mache eine Ausbildung. Ich kann auch gleich anfangen zu arbeiten. Ich
genieße es, diese Möglichkeiten zu haben.
Atmo 8 Park (Atmo Katherine Park)
O-Ton 21a Katherine,
Ich wollte bessere berufliche Chancen. Das habe ich bis jetzt erreicht. Ich habe den Job
bekommen. Ich habe angefangen. Ich fühle mich total wohl und integriert in jede
Tätigkeit, die ich ausübe. Ich packe es schon ganz gut, alles zu schaffen. Auch alleine
zu wohnen, also selbständig. Obwohl ich mit meiner Mama fast jeden Tag telefoniere.
Was ich noch nicht erreicht habe bis jetzt: Mich richtig integriert zu fühlen. Dieses Gefühl
haben, dass ich im richtigen Ort bin. Ich habe jetzt das Gefühl, dass alles stabil wird
oder stabiler. Ich möchte mich wie zuhause fühlen. Das werde ich vielleicht schaffen mit
der Zeit. Irgendwie eine Art Angehörigkeit zu haben. Eine Art Gefühl, dass man dazu
einfach gehört, und dass es alles gut wird.
Wenn du mich fragst, ob ich zurückkehre nach Venezuela, momentan nicht. Und ich
sehe echt schwer in der Zukunft. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich da etwas zu
suchen habe.
O-Ton 22 Oscar ,
Especialmente lo que a mí me preocupa lo que significa la perdida del capital humano.
Porque las situaciones políticas se pueden resolver. Pero el capital humano rescatarlo
es muy difícil. (21:45) Indirectamente el gobierno empuja que la gente se vaya. Porque
es opositor. (25:50) Una preocupación es que si toda la gente toma el camino de irse
¿quiénes van a ser los factores políticos que van a tratar de modificar el país?
Übersetzer:
Ich mache mir große Sorgen darüber, was es für unser Land bedeutet, dass so viele
junge und qualifizierte Menschen auswandern. Die Regierung unterstützt diese
Entwicklung, weil sie meint, dass diejenigen, die gehen, zur Opposition gehören. Aber
wer soll dann dafür sorgen, dass sich hier etwas ändert?
O-Ton 23 Carlo,
No me gusta siempre hablar mal de Venezuela porque es mi país. Bueno las noticias
siempre son peores. Mi padre ahora depende de su último número de su cedula. He
conocido a gente que tiene amigos que se han regresados para visitar a su familia. Y
tienen la mala suerte que se van al aeropuerto, los roban, y los matan. Si me pones a
escoger entre ir a visitar a alguien que se quedó en Venezuela y quedarme aquí creo
que prefiero no visitar. Salir del país es un poco una manera egoísta porque tú dices
hubiera tenido que quedarme y luchar. Pero si luchas por un país que no lucha por ti es
fuerte.
Übersetzer:
Ich rede nicht gerne schlecht über mein Heimatland, aber die Nachrichten aus
Venezuela werden immer schlimmer. Mittlerweile darf man nur noch an bestimmten
Tagen in der Woche einkaufen. Das hängt davon ab, welche Ausweisnummer man hat.
Ständig gibt es Überfälle. Ich habe von Leuten gehört, die nach Venezuela
zurückgekehrt sind, um ihre Familie zu besuchen, und auf dem Weg vom Flughafen
wurden sie überfallen. Wenn das der Preis ist, dann bleibe ich lieber hier. Natürlich
mache ich mir manchmal Vorwürfe, dass ich Venezuela verlassen habe. Ich hätte ja
bleiben und kämpfen können. Aber wie soll man für ein Land kämpfen, das seine
Bewohner längst aufgegeben hat?